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KAS-Seminar: Schottland am Scheideweg zwischen EU und UK

Tag 1: Flug, Ankunft, erste Eindrücke

Heute beginne ich mit einem etwas anderen Bericht: Von Donnerstag bis Sonntag mache ich einen Ausflug nach Schottland, genauer gesagt in die Weltkulturerbe-Stadt Edinburgh. 🏰 Dort nehme ich an einem Seminar der Konrad-Adenauer-Stiftung teil, für das ich mich vor knapp einem Jahr beworben habe und für das ich mit großer Freude eine Zusage erhalten habe. So habe ich die Gelegenheit, kostengünstig einen Wochenendausflug zu machen und zugleich spannende Vorträge und Diskussionen besuchen zu dürfen. 👍

Nun aber ein kurzer Abriss des ersten Tages. Ich bin heute bereits um 2:30 Uhr aufgestanden und mit dem Zug zum Flughafen Schiphol gefahren. ✈️ Dabei habe ich mich erinnert, dass mein letzter Flug auch schon wieder vier Jahre zurückliegt. Angekommen am Flughafen, verlief es soweit reibungslos und unspektakulär – meine Erinnerungen sind aber verhalten blass angesichts der unabstreitbaren Müdigkeit. Interessant war aber die Sicherheitskontrolle, bei der tatsächlich Getränke auch jenseits der 100 mL-Marke ins Flugzeug genommen werden dürfen! So bin ich mit einer gefüllten Wasserflasche durch die Kontrolle gekommen und wurde mehrfach vom Sicherheitspersonal darauf hingewiesen, dass das gar kein Problem sei. Vielleicht gibt es eine neue Art des Gepäckscanners, die Wasser von Gefahrstoffen unterscheiden kann? Sehr spannend auf jeden Fall …

Edinburgh begrüßte mich nach 1:35  h Flug mit einem typisch nebeligen Erscheinungsbild und Dauerregen. 🌫️ Wenn man die ganzen Postkarten entlang der Touristenmeile durchblättert, fragt man sich, ob alle Fotografen nur auf diesen einen Sonnentag gewartet haben, um ihre Fotos zu schießen? Angekommen am Hostel, habe ich erstmal einen leckeren Breakfast-Tee getrunken (natürlich schwarz). 🍵 Dann spazierte ich erst zum Holyrood-Palace, dem offiziellen Amtssitz des britischen Königs in Schottland. 👑 Ich entschied mich gegen eine Besichtigung der Innenräume und stieg auf matschigem Pfad auf einen benachbarten Hügel zu den Ruinen der St. Anthony´s Chapel. Auch hier sind die Bilder bei Sonnenschein andere, aber für mich gilt Hauptsache gesehen und die frische Brise an den Wangen gespürt.

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Holyrood Palace
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Ruinen der St. Anthon´s Chapel

Anschließend lief ich zurück in die Stadt, denn ich verpasste den Bus weil ich an der falschen Straßenseite stand (sie halten logischerweise auch links). Die Altstadt besteht aus zahlreichen alten Gebäuden im ähnlichen Baustil – es passt alles sehr schön zusammen. Die Stadt wirkt auch nochmal größer durch die hügelige Topographie. Jedenfalls verbrachte ich mehrere Stunden im schottischen Nationalmuseum (Royal Museum), das sehr groß ist und viele Abteilungen aufweist. Empfehlenswert auch der Blick von der Dachterrasse – insbesondere ohne Wind und Regen.

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Ein kleiner Ausschnitt des Royal Museums

Am Abend kamen wir dann mit allen Teilnehmern des Seminars zusammen, lernten uns ein wenig kennen und begannen mit der inhaltlichen Vorbereitung auf das zu behandelnde Fachgebiet: Wo steht Schottland – begreift es sich eher als ein Teil des Vereinigten Königreiches oder sind die Bestrebungen größer, sich davon loszusagen? Gibt es Perspektiven für ein unabhängiges Schottland in der Europäischen Union? Und wie ähnlich oder verschieden sind eigentlich Schotten und Engländer?

Tag 2: Inhaltiche Bearbeitung des Themas und Stadtführung

Das Programm am Freitag startete am Morgen mit drei Vorträgen zum Seminarthema: Wir hörten die Meinungen von Dr. Philippa Whitford, die sich mit ihrer Partei SNP für die Abspaltung Schottlands vom Vereinigten Königreich engagiert und eine große Verfechterin eines erneuten Referendums ist. Aus ihrer Sicht hat sich die Situation in Schottland nach dem Brexit erheblich verändert, sodass das Referendum von 2014 wiederholt werden müsse. Damals hatte sich eine Mehrheit für den Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen. Allerdings, und hier sprechen wir von Fakten, votierte eine deutliche Mehrheit der Schotten für den Verbleib in der EU und war entsetzt über den Willen in Westminster, den Weg eines »harten Brexits« zu gehen. Deshalb möchte die SNP badmöglich ein neues Referendum abhalten und dann – einen Sieg vorausgesetzt – über eine Aufnahme in die EU verhandeln.

Der zweite Redner war James Bundy, der als Konservativer stark abweichende Ansichten vertrat. Obwohl er beim Brexit einer der Anführer des »Leave«-Lagers war und eine Kampagne »Scots for Leave« organisierte, vertrat der die Meinung, dass Schottland auf England angewiesen sei und beide Länder von der gemeinsamen Union profitierten. Denn diese existiert bereits seit dem Jahr 1707 und führte zu zahlreichen Verflechtungen, regem Warenaustausch auch vielen familiären Beziehungen zwischen Schottland und England, wäre seiner Ansicht nach weit schwieriger aufzulösen als die wenige Jahrzehnte dauernde Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Häufig war Großbritannien in dieser ohnehin in einer Außenseiter-Rolle und trat beispielsweise nicht der Währungsunion bei. Bundy argumentierte ferner, dass der Einfluss Schottlands in der Welt als einzelner Staat nicht steigen, sondern sinken würde, da ihm die Aufmerksamkeit eines wirtschaftlich und militärisch bedeutsamen Großbritanniens nicht zuteil würde.

Als dritter Redner war Dr. Andreas Zimmer als Generalkonsul Deutschlands zu Gast. Er klärte uns über die schottische Devolution – die weitgehende Selbstverwaltung auf. Aus diplomatischer Perspektive relativierte er einige Pläne der schottischen Unabhängigkeitsbewegung als schwierig umsetzbar und ordnete die hinter den Überlegungen stehende schottische Denkweise zur Unabhängigkeit in einen breiteren Kontext ein. Er teilte uns auch seine rechtliche Bewertung zur Einschätzung des anstehenden Supreme Court-Urteils zur Legitimität eines weiteren Brexit-Referendums mit. Interessant war, dass in britischer Denkweise absoluten Mehrheiten eine große Bedeutung zuteil wird. Häufig höre man, dass die SNP, gegenwärtig als stärkste Kraft in einer Koalitionsregierung in Schottland, ohne eine absolute Mehrheit in Schottland Schwierigkeiten haben könnte, die Zustimmung zu einem weiteren Referendum zu gewinnen.

Nach den Vorträgen brachen wir zu einer Stadtbegehung auf, bei der uns ein Konstipendiat, der lange Zeit in Edinburgh studiert hat, die schönsten Flecken der Stadt im Schein der Straßenlaternen zeigte. Er erklärte uns während des Spaziergangs allerlei historische Details über die Stadt und erzählte zahlreiche Anekdoten zu Stadt und Stadtgeschichte. Durch das Wirken von J. K. Rowling finden sich überall Harry Potter-Anekdoten verstreut. Ein sehr schöner Abend, den wir mit gemeinsamem Abendessen und Pub-Besuch beendeten.

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Blick auf das nächtliche Edinburgh von Calton Hill aus.
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Im Innern der St Giles’ Cathedral, welche den Hauptsitz der Church of Scotland darstellt.
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Oberes Ende der Victoria Street mit alter Gebäudefassade.

Tag 3: Das schottische Parlament und weitere Stadtbesichtigung

Samstags ging es mit einer Führung im schottischen Parlament los. Dieses gibt es erst seit 1999 als Ergebnis aufstrebender Unabhängigkeitstendenzen. Nach einer theoretischen Einführung in die Geschichte Schottlands (die sich teilweise mit dem bereits Gelernten überschnitt) zeigte unsere Führerin uns das Gebäude und vor allem den Parlamentssaal. Dieser ist verglichen mit dem Bundestag deutlich kleiner und in moderner Holzoptik gehalten. Wäre der Teppichboden nicht in einem verwirrenden Muster gestaltet, fühlte man sich gestalterisch mehr an ein Wohnzimmer denn ein Arbeitsgebäude erinnert. Auch hier wirkt der Reichstag mit seinen nüchternen, grau-betonten Farben, anders auf die Besucher. À propos, für diese gab es nach meiner subjektiven Einschätzung deutlich mehr Plätze, vor allem auch relativ zur Anzahl der Abgeordnetensitze.

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Schottischer Parlamentssaal.

Insgesamt ist das Parlament modern und europäisch gestaltet und anders als im britischen Unterhaus sitzen hier die Abgeordneten im Halbkreis um den Sitzungspräsidenten. Dennoch, die meisten Wortmeldungen erfolgen vom Platz aus, nicht von einem Rednerpult.

Nach der Führung im Parlament spazierte ich mit einer kleinen Gruppe an Teilnehmern wieder gen Innenstadt. Diesmal stärkten wir uns mit einem typischen Scottish Breakfast, das Folgendes enthielt:

  • Bacon
  • Haggis
  • Sausage
  • Black Pudding
  • Beans
  • Tomato
  • Egg
  • Hash Brown
  • Potato Scone
  • Mushroom
  • Toast & Butter
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Schottisches Frühstück im Café Keno.

Auch wenn ich normal ein ganz klassisches, zuweilen langweiliges »deutsches Frühstück« mit Brot, Brötchen, Marmelade und Honig mag, hat mir dieses Frühstück zur lunch time sehr gut geschmeckt und kräftig Energie für den Tag gegeben. Ich bin mit ein paar anderen durch die Stadt spaziert, habe mir einen schönen Schal gekauft und bisschen gestöbert. Anschließend ging es weiter mit unserem Tagungsprogramm und einer philosophischen Diskussion, unter welchen Voraussetzungen Abspaltungen als legitim gelten sollten. Diese Frage ist wissenschaftlich gesehen nämlich gar nicht so einfach zu beantworten und von zahlreichen Grenzfällen geprägt.

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Nach einem Abendessen beim Italiener mit köstlichem Wein ließen wir unseren letzten Abend erneut in verschiedenen Pubs ausklingen. Ich glaube hier lernt man die schottische Seele immer noch am besten kennen und sie kommt nach ein paar Bier gleich viel geschmeidiger daher.

Tag 4: Edinburgh Castle und Rückflug

Und schon war’s wieder vorbei. Sonntags stand im Wesentlichen eine Reflexion über das Seminar auf dem Programm. Alsbald verabschiedeten sich die ersten Teilnehmer zum Flieger. Da ich mir erst einen abendlichen Flieger gebucht hatte, konnte ich mit einigen anderen Teilnehmern noch das Edinburgh Castle besichtigten. Die weltberühmte Burg, welche hoch über der Stadt thront und ihr ihren Namen verleiht, beherbergt mehrere militärhistorische und lokalhistorische Museen. Die Besichtigung dieser war teils mehr teils weniger lohnenswert, aber mit ihrer patriotischen und glorifizierenden Erinnerungskultur an die Schottische Dragonergarde in jedem Fall sehr eindrücklich. Aus der Ausstellung zur Geschichte Schottlands hat mir die Laich Hall sehr gut gefallen. Ein besonderes und sehr beeindruckendes Ausstellungsstück sind die schottischen Kronjuwelen und der Stone of Destiny, die aber beide nicht fotografiert werden dürfen.

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Edinburgh Castle – Laich Hall.