Heute habe ich richtig gespürt, wie mein Körper neue Energie tankt. Ich bin seit vorgestern Abend in Budapest und habe die wichtigsten Highlights der Stadt gesehen und mir einen schönen Überblick über die Stadt verschafft. Ich kenne meine Wohnung, die Straße, das Viertel und auch einige Teile der Innenstadt.
Das eröffnet mir nun den Freiraum, den Druck herauszulassen und weniger auf die Uhrzeit zu schauen. Mag vielleicht für euch Leser selbstverständlich klingen, aber ich habe dieses Gefühl schon echt sehr lange nicht mehr erlebt. Wenn man nur kurz an einem Ort ist, oder auf einem Seminar mit festem Programm, oder in einer Gruppe in der jeder ganz individuelle Wünsche einbringt, hat man das wahrscheinlich eher selten.
Am Ende der Reise steht natürlich schon fest, dass ich zügig packen und in Leiden in meinen neuen Job als Doktorand starten werde. Ich fahre also auch so lange weg, um mir währenddessen die Zeit zum regenerieren zu nehmen. Heute ist mir die Balance zwischen Erleben und Erholen gut gelungen und darüber bin ich sehr froh.
Zugleich freue ich mich aber schon, bei meinem nächsten Stopp in Budapest am Mittwoch in einem Hostel zu übernachten. Der Komfort ist nicht derselbe, aber scheinbar organisieren die Hostel-Betreiber einige social events und dadurch kann ich ein paar Kontakte knüpfen. Dauerhaft so alleine den Tag zu verbringen wäre mir glaube ich zu einsam, auch wenn ich alles sehen kann was ich möchte.
Am Nationalmuseum lässt sich viel Nationalpatriotismus verspüren.
Spaziergang durch die Josefsstadt
Ein historischer Wagen mit alten Büchern für ca. 1 €.
Nach ausgiebigem Frühstück habe ich mit einem Spaziergang in den Tag gestartet. Spontan bin ich durch die Josefsstadt (Józsefváros) gelaufen, wo sich viele schöne Gründerzeit-Gebäude, kleine Cafés und Läden befinden. Hier sind überraschend wenige Touristen und ein eher junges, gehobenes städtisches Publikum. Das Ungarische Nationalmuseum (Magyar Nemzeti Múzeum) ist ein beeindruckender Palast umringt von einem schönen Garten. In einer kleinen Konditorei, die mit ihrer knuffigen gefliesten Inneneinrichtung und einem wenig offenbarenden Schaufenster etwas aus der Zeit gefallen schien, kaufte ich mir ein paar Linzer-Plätzchen. Die schmeckten auch richtig nach »Hausmannskost«.
Markthalle
Die Große Markthalle
Weiter Richtung Zentrum habe ich mir die Große Markthalle (Nagy Vásárcsarnok) angeschaut. Von außen erwartet mich bereits ein imposantes Gebäude, aber dieser Stil ist für Budapest vollkommen typisch. Innen drin präsentieren hier Händler zahlreiche Lebensmittel: Frisches Obst und Gemüse, frisches und geräuchertes Fleisch, vor allem aber zahllose Stände mit (Paprika)-Gewürzen und Souvenirs für die Touristen. Die Preise sind entsprechend auch der Kundschaft angepasst – da erhält man besseres Paprikagewürz aus einem geschützten geographischen Anbaugebiet Ungarns im Supermarkt am Hinterausgang der Markthalle für um die 500 Ft (1-1.50 €). Tipp: Mehr Stände mit einheimischen Produkten scheint es im Untergeschoss zu geben, wo eine Handvoll Verkäufer unter anderem Fisch und eingelegte Früchte/Gemüse verkaufen.
In der Markthalle tummeln sich die Touristen.
Innenstadt
Hinter der Markthalle beginnt die Haupteinkaufsstraße, die aber auf einem Kilometer fast nichts Interessantes außer den üblichen Tourist Traps bietet. Parallel in östlicher Richtung und am Ende gibt es einige schöne, aber überwiegend sehr hochpreisige Geschäfte insbesondere aus dem Mode-Bereich. In der Ecke sind vor allem die Ausblicke auf und von der Donau eindrucksvoll.
Jüdisches Viertel
Typische Straßenansicht im VII. Bezirk. Die den Grünweg versperrenden Bäumchen im kleinen Käfig lassen mich grinsen. Auch hier werden wichtige Fortschritte im Bereich der Ökologie gemacht! 🌿🤠
Also bin ich erneut in »meinem« Bezirk zurückgelaufen. Im VII. ist Budapest vielleicht unansehnlich, heruntergekommen und teilweise übelriechend, aber definitiv charakterstark und authentisch. Das Viertel ist einfach super groß und jeder Spaziergang zeigt einem wieder ganz neue Ecken.
Ruinenbar Mazel Tov
Von außen kann man am Mazel Tov auch versehentlich vorbeilaufen.
Auf meiner Liste stand aber auch noch der Besuch einer Ruinenbar. In mehr oder weniger abbruchreifen Gebäuden haben sich hier in den letzten 20 Jahren Hotspots des Nightlifes entwickelt, von ein denen einige Bars große Bekanntheit erlangten. Zum Beispiel die Szimpla Kert, welche von Lonely Planet zu einer der besten Bars der Welt gekürt wurde. Die bekannten Bars haben aber eines gemeinsam: Man liest überall, dass man selbst unter der Woche abends kaum einen Tisch bekommen soll, weshalb ich mich für einen Besuch am späten Nachmittag entschieden habe. Ich ging ins Mazel Tov, das für seine anspruchsvolle Küche im Israel Fusion-Stil bekannt ist. Ein lohnenswerter Besuch!
Hummus Bowl
Das Café zeichnet sich durch seinen lichtdurchfluteten Innenhof inmitten zweier äußerlich heruntergekommener Gebäude. An diesen Ranken Efeu-Pflanzen und neben den Tischen befindet sich eine professionell anmutende und gut sortierte Bar.
Der verfallene Eindruck von der Straße trügt: Die Räumlichkeiten sind neu und hochwertig eingerichtet, den Anspruch der Speisen widerspiegelnd, aber der rustikale alte Charme wurde erhalten. Es ist also nur eine kleine Illusion mit der Ruine; man befindet sich in einem zeitgemäßen innovativen Restaurant, das am ehesten an Industrial Stile erinnert.
Ohne jetzt stundenlang über das Essen referieren zu wollen, halte ich nur fest, dass ich mit meiner Hummus Bowl sehr zufrieden war. Rote-Bete-Hummus mit Wildreis, eingelegten Linsen, Sous-Vide-Kichererbsen, roten Zwiebelringen, weichgekochten Eiern und gebratenem Pak Choi – alles gut abgestimmt und nett angerichtet. Dazu habe ich mir einen »Jewish Punch« Cocktail bestellt (Beefeater, Campari, Passionsfrucht, Grenadine, Tonic), der passend zur Jahreszeit Frische mit Bitterkeit fusionierte. Preislich wird hier auch für die gute Qualität und große Auswahl ein moderater Preis verlangt. Aber man sollte berücksichtigen, dass 12% Trinkgelder verpflichtend berechnet werden. In Ungarn scheinbar häufiger üblich, aber eigentlich nicht in Ordnung, denn für den nur mittelmäßigen Service hätte ich weniger Trinkgeld gegeben. Nun gut, man kann die 12% ja einfach beim Bestellen draufaddieren und es ist immer noch fair 😋
Vintage Shopping
Ein schöner Vintage-Laden mit viel Liebe fürs Detail.
Frisch gestärkt stattete ich noch einem kleinen Vintage-Laden um die Ecke einen Besuch ab. ReClaim hat nur wenige Bewertungen auf Google, dabei geben sich die Inhaber richtig Mühe, die Second Hand-Kleidungsstücke aufgeräumt und sortiert in einem schönen Ambiente zu präsentieren. Nach einem Online-Artikel gibt es ihn aber auch erst seit Oktober. Bei meinen Rückfragen waren sie auch sehr hilfsbereit und nach meinem Empfinden sind auch die Preise überaus fair (da bin ich aber kein Experte …). Ich habe mich sehr gefreut, eine schöne Cordhose gefunden zu haben. Der Inhaber erklärte mir, dies sei vermutlich eine sehr alte (das kann durchaus 60 Jahre bedeuten) Hose aus Deutschland. Mein Eindruck von der Verarbeitungsqualität deutet auch auf europäische Qualitätsware hin. Man hat hier das Gefühl, sie suchen wirklich noch selbst nach ausgewählten Stücken. Ein kurzes Stöbern im Laden kann ich wärmstens empfehlen.