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Tag 5 und 6: Belgrad als Stadt mit langer Geschichte

Gestern habe ich Ungarn in südlicher Richtung verlassen, um mit Belgrad die nächste Hauptstadt auf meiner Reise anzusteuern. Heute zu Serbien gehörend, war sie viele Jahre Zentrum Jugoslawiens. Von Budapest aus kommend, fällt auf, dass bereits kurz hinter der Stadt das Land nur noch sehr dünn besiedelt ist. Die Autobahn wird links und rechts hauptsächlich von riesigen Wiesenflächen und Wäldern umsäumt.

Beim Verlassen Ungarns gibt es auch eine Grenzkontrolle, bei der die Grenzbeamten auch (eher oberflächlich) in jeden Kofferraum blicken möchten. Mein Reisepass bekam hier seinen ersten Stempel 😃 Andererseits habe ich mir scheinbar zu viele Gedanken um die richtige Kennzeichnung meines Autos gemacht. Laut verschiedenen Quellen im Internet benötige man (auch mit EU-Kennzeichen) außerhalb der EU einen D-Aufkleber – mit der Schweiz gibt es ein Sonderabkommen, sodass man diesen hier nicht braucht. Einen solchen Aufkleber habe ich nach langer Suche beim ADAC gefunden, aber die Grenze passierten auch viele Fahrzeuge ohne den Aufkleber erfolgreich 🙂

Die serbische Autobahn ist nahezu perfekt ausgebaut und augenscheinlich sehr neu. Außer Novi Sad liegen auch hier keine Städte auf der Route. Eine wirklich sehr ländliche Gegend, der Balkan. Belgrad begrüßte mich zunächst mit einem kräftigen Gewitter und ca. 1 h Stau, bis ich von der Stadtgrenze am Hostel war. Ich bleibe die nächsten Tage im Balkan Soul Hostel, dem derzeit am besten bewerteten Hostels Serbiens. Die Zimmer sind schön modern, mit neuen Betten, abschließbaren Lockern und bequemen Betten. Die Bäder sind im großen und ganzen ordentlich und werden häufig gereinigt. Etwas unschön fand ich, dass man nur in bar bezahlen kann, aber ein Geldautomat ist ganz um die Ecke.

Nach der Ankunft habe ich im gemeinsamen Aufenthaltsraum des Hostels direkt andere Reisende kennengelernt. Menschen aus allen Teilen der Welt, die ganz lange oder ganz kurz neue Länder erkunden. Ein sehr positiver Spirit und ohne hier jede Geschichte ausführen zu können, ist die Unterhaltung mit diesen Menschen für mich sehr inspirierend. Schließlich bin ich am selben Abend mit ein paar anderen Gästen in eine Bar in der Innenstadt gegangen, wo sich die eine der Gruppe zu einem Date mit ein paar Einheimischen verabredet hatte. Die Bar war nahezu voll, was mich für einen Mittwochabend etwas überraschte. Und auch sonst sah man in der Innenstadt zahlreiche Gruppen junger Menschen. Belgrad scheint mir nach allen bisherigen Eindrücken eine Stadt zu sein, in der sehr viel gefeiert wird und ein umfangreiches Nachtleben existiert.

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Die Festung von Belgrad ist ein schönes parkähnliches Gelände.

Festung Belgrads

Heute ist das Wetter zum Glück viel besser. Im Gegensatz zu den anderen bin ich gestern zu vernünftiger Zeit gegen 2:30 zu Bett gegangen und war entsprechend heute wieder fit 😂 Für 11 Uhr hatte ich eine Führung durch die unterirdischen Räume des Forts von Belgrad gebucht. Der Guide Drako zeigte mir, vier jungen Mailändern und Vater und Tocher aus Süddeutschland (mit serbischen Wurzeln) die sehr lange Geschichte der Festung auf. Als das Wahrzeichen thront es im oberen Teil der Stadt an der Mündung des Flusses Save in die Donau. Serbien ist eine der ältesten Städte Europas (mit Funden aus 7000 v.Chr.) und seit römischer Zeit als Stadt besiedelt. Aus dieser stammen Teile der Festungsruine. Zwischen 1521 und 1867 waren die Osmanen in Belgrad, mit mehreren zeitweiligen Eroberungen durch Österreich. Die Stadt wurde je nach Zählung 30-40 Mal zerstört und hat deshalb eine sehr wechselvolle Geschichte, die sich auch in den verbliebenen Fragmenten der Festung zeigt.

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Die römische Brunnen, der eigentlich keiner ist.
Während die Festung ohne Eintritt öffentlich zugänglich ist und wie ein Park gestaltet ist, besichtigten wir vor allem die sonst verschlossen bleibenden unterirdischen Teile. Zum Beispiel gibt es einen »römischen Brunnen«, der allerdings weder römisch noch ein Brunnen ist. Zwar gab es ein Loch aus römischer Zeit, aber tatsächlich versuchten erst die Österreicher im 18. Jahrhundert, auf der Festung nach Wasser zu graben. Das scheiterte aber am Gestein, weshalb der Brunnen nie als solcher genutzt wurde sondern zeitweilig die Funktion einer Zisterne einnahm. Trotzdem schön anzusehen im alten, dunklen Gewölbe ⛲

Etwas gruselig ist der unterirdische Luftabwehrbunker, der erst seit 2006 öffentlich bekannt wurde und bei dem viele Details immer noch Militärgeheimnisse sind. Errichtet und genutzt wurde er, um nach der Befreiung Belgrads im zweiten Weltkrieg einen möglichen Angriff der Sowjetunion auf Belgrad abzuwehren, die den neutralen Status Jugoslawiens nicht akzeptieren wollten.

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Der Pulverkeller
Schließlich betraten wir auch noch einen von den Österreichern angelegten ehemaligen Pulverkeller, der ein schönes altes Natursteingewölbe darstellt. In jüngerer Zeit wurde er auch als Partylocation für Techno-Partys genutzt, was ich mir bei der schönen Kulisse gut vorstellen kann. Im Raum sind zahlreiche Grabsteine und Sarkophage aus römischer Zeit ausgestellt, die im Fort gefunden worden waren.

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Etwas Street Art am älteren Teil des Save-Ufers.

Uferspaziergang an der Save

Anschließend bin ich ausgiebig entlang der Save am Ufer entlang spaziert. Dieses ist im Sinne einer westlichen Flaniermeile gebaut, aber in Teilen immer noch unfertig und irgendwie künstlich wirkend. Alles ist einfach zu perfekt, um mit meinem bisherigen Eindruck einer lässigen Stadt und Kultur auf dem Balkan zu harmonieren. Große Teile des Ufers gehören zum Waterfront-Projekt, das zu Teilen durch die Vereinigten Arabischen Emirate finanziert wurde. Während der vorherigen Führung habe ich einen in Deutschland lebenden Serben kennengelernt, der diese Veränderungen seiner ehemaligen Heimat kritisch sieht. Hier führt viel Korruption dazu, dass arabische Scheichs Teile der Stadt in ihrem Stil für ihre vermögenden Gäste umgestalten, mit Apartment- und Hotelpreisen weit über dem ortsüblichen Niveau. Nichtsdestotrotz lässt es sich hier gut bei Sonnenschein spazieren und eigens errichtete Fotobrücken oberhalb des Flussufers stellen die bestmögliche Perspektive für die Fotos sicher. In jedem Fall bildet sich hier eine weitere, neue Identität Belgrads heraus. Möglicherweise der Versuch, etwas mehr Prestige zu entwickeln und zu anderen großen Städten aufzuschließen.

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Die geplante Skyline sieht sehr auffällig und modern aus, steht aber im Kontrast zur restlichen Stadt.
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Das Waterfront-Projekt wird mit unzähligen Plakaten vermarktet.